Fründliche Scherereien


Ein Kommentar

White sensation

Wenn ich neue Möbel bräuchte, wäre ich zur Zeit aufgeschmissen. Überall weiß. Weiße Badezimmer, weiße Küchen, weiße Schränke hochglanz, weiße Türen. Ich will keine weißen Möbel. Ich habe weiße Fußböden und das nervt mich schon genug. Weiße Fußböden haben aber auch einen Vorteil: Wenn Dreck drauf ist, und man ihn weggewischt hat, sieht man sofort, was man getan hat. Und dann strahlt unser Haus uns an und wir fühlen uns wohl. Als Kind war ich mit Klementine per du. Außerdem habe ich unsere Wäscheleine im Garten vermessen, doch ich glaube eine ganze Packung weißer Riese hätte da nicht drauf gepasst. Interessiert ja auch heute keine Sau mehr, wo sowieso alles im Trockner landet. Und schon damals habe ich mich gefragt, was daran toll sein soll, mit dem Wäschekorb erst 70 m aufzuhängen und das dann auch noch alles möglichst lächelnd wieder reinzuholen; quasi im Schweinsgalopp kurz bevor es regnet. Faszinierend fand ich damals schon diese Unmengen an weißer Wäsche, die da im Wind flatterte. Die propperenn Hausfrauen im Fernsehen hatten keine alten Blümchen-Frottee-Handtücher im Schrank, auch keine gestreiften Unterhosen oder Flanellnachthemden von Omma. Oder zerschnittene alte Betttücher, die noch als Lappen dienten. Über unserem Garten und der weißen Wäsche flogen auch gerne mal die Tauben von Tante Töllmann und lieferten sich einen Kack-Ziel-Wettbewerb. Oft lag ich auf dem Rücken im Gras und sah ihnen zu, wie sie ihre Runden drehten und wahrscheinlich geheime Absprachen für den nächsten Anschlag planten. In der Fernsehwerbung gibt es nur weiße Zähne und Weißkittel. Richtige Omas haben weiße Haare und weiße Tischdecken. Es gibt nur weiße Milch außerdem noch weiße Schokolade, weißen Spargel und Weißwurst. Eine weiße Weste haben ist wichtig. Die Friedensfahne und die Friedenstaube sind weiß. Frisch gefallener weißer Schnee bringt uns in Weihnachtsstimmung. Dreckiger Schnee lässt uns auf den Winterdienst schimpfen. Irgendwie ist da was mit dem Weiß. Weiß ist besonders, edel und rein. Weiße Socken als Kind? Vergiss es. Taufe, Konfirmation, Kommunion, Hochzeit: alles weiß. Und sofort dreckig. Und deshalb halt so besonders. Zumindest bei uns. In anderen Kulturkreisen wird weiß mit den gegenteiligen Attributen in Verbindung gebracht: mit Tod, Trauer und Verlust. Wikipedia weiß dazu: „Für den Menschen entsteht der Farbeindruck weiß immer, wenn ein Material das Licht so reflektiert (resp. remittiert), dass alle drei Zapfen in der Netzhaut des Auges in gleicher Weise und mit ausreichend hoher Intensität gereizt werden. Entsprechendes gilt für die Lichtfarbe von Selbststrahlern. Der Farbreiz für das Wahrnehmen von Weiß besteht also darin, dass alle drei Farbvalenzen gleich sind. Entsprechend der Natur der Lichtwahrnehmung kann dies auf unterschiedlichen (geeigneten) Spektren beruhen, wegen der notwendigen Gleichheit der Farbvalenzen bezeichnet man diese Farbe auch als „unbunt“.“ So jetzt wissen wir’s. Was wir nicht wissen ist, hat die Zahnarztfrau jetzt eigentlich wirklich weiße Zähne oder kommt uns das nur so vor? Kann ein Mensch „weißer“ sehen als der andere?“ Oder schwärzer? Die Farbe ist so, wie wir sie wahrnehmen. Im übertragenen Sinne: auch das Leben ist so, wie wir es wahrnehmen. Was dem einen hell erscheint, sorgt für schwarze Tage bei einem anderen. Ich werde in Zukunft jedenfalls eine wissenschaftliche fundierte Antwort für alle notorischen Schwarzseher und Meckerfritzen parat haben: Siehst Du Dein Leben unbunt, einfach mal den Standort wechseln. Dann fällt das Licht anders ins Lebensauge und sorgt vielleicht für mehr Lebensfarbe.