Perfektion
Ich liebe das Unperfekte
das angefangene Bild
das verlassene Haus
das eingestürzte Schloss
das verblichene Kleid
den abgeblätterten Rahmen
die Falten im Gesicht
die zerschlissene Decke
das gesprungene Glas
die knopflose Jacke
die zertanzten Schuhe
denn sie erzählen Geschichten
vom Hoffen und Leiden
von Lachen und Lieben
von Anfang und Ende
vom Leben
(Tanja Fründ)
Infantile Gesellschaft
In der Pubertät werden die eigenen Bedürfnisse und die der Peer-Group oft in völliger Selbstverständlichkeit über das Allgemeinwohl gestellt und durchgesetzt. Vernunft hat Pause. So scheint mir die Pubertät wie eine Frühform des Lobbyismus.
Leider findet der sich heutzutage in ausgereifter Form sowohl in der Politik als auch in den Chefetagen wieder. Vielleicht sprechen wir deswegen so oft von der infantilen Gesellschaft, in der nicht richtig erwachsene gewordene Teenager im Kindergarten der Eitelkeiten immer noch den anderen die Bauklötze wegnehmen, damit ihr eigener Turm höher erscheint, und die sich bei Gegenwind in der Schmollecke verdrücken und ihre Wunden lecken, die sie durch ihr Handeln selbst herausgefordert haben.
(Tanja Fründ)
Teenager
Teenager
100 %
Lebensgefühl
mal hoch
mal tief
und
aber
alles
immer
intensiv
Tanja Fründ 2019
Kritik
Viele Menschen halten sich für ausgesprochen kritikfähig.
Bisweilen bezieht sich diese für sich beanspruchte Fähigkeit zur Kritik allerdings
eher auf das Austeilen als auf das Annehmen derselben.
Tanja Fründ 2019
Freundschaft
Kürzlich war ich auf einem Frauenfrühstück zum Thema „Frauenfreundschaften“. Gerade ein paar Tage vorher hatte ich dazu ein Gespräch mit dem Satz „Zeige mir Deine Freunde und ich sage Dir, wer Du bist“. Dieser bedeutungsschwere Satz zerging mir auf der Zunge und ich fragte mich, ob es tatsächlich so ist. Sagen meine Freunde etwas über mich aus? Sind die Leute, mit denen ich mich umgebe, ein Spiegelbild meiner selbst? Oder vielleicht mehr ein Spiegelbild meiner Sehnsüchte? Es ist interessant dieser Frage mal nachzugehen: Mit wem bin ich befreundet und was sagt das über mich aus?
Ich glaube, in jedem von uns steckt die Sehnsucht nach einem wirklich guten Freund. In Männern, die es oft nicht zeigen, genauso wie in Frauen. Frauen tun sich vielleicht ein bißchen leichter, sich diesen Wunsch einzugestehen. Was muss dieser Freund/diese Freundin für mich sein? Vertraute, Seelengefährtin, Begleiter, Kumpel, Tröster….. Beim Frauenfrühstück begann die Referentin das Thema mit eine Zitat von Albert Einstein:
“ Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen einer Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigen Dingen z.B. der Relativitätstheorie.“
Großes Gelächter, wir Frauen verstanden es sofort. Kaum ein Mann kann verstehen, was eine Frauenfreundschaft so besonders macht. Sie lassen uns Frauen gewähren und stehen kopfschüttelnd vor den Emotionen und Geheimnissen, die solche Frauen- oder Mädelsfreundschaften mit sich bringen.
Gute Freundinnen wissen, wie es um die andere steht, kümmern sich umeinander, rufen sich zu den unmöglichsten Tageszeiten an, um über die unmöglichsten Dinge lange und ausgiebig zu sprechen. Dinge, die mancher Mann beim Holzhacken mit sich selbst ausmachen würde.
Das Zerbrechen von Frauenfreundschaften kann regelrechten Liebeskummer auslösen und ich kenne keine Frau, die sich nicht im tiefsten Herzen nach der! besten Freundin sehnt.
Doch ist diese beste Freundin ein Spiegel meiner selbst? Was macht eine Freundin wertvoll für mich? Gibt es einen inneren Auswahlprozess, der mich antreibt in Sympathie und Antipathie gegenüber potentiellen Freunden?
Die Referentin erzählte von ihrer Zeit, als sie in Berlin eine Einrichtung aufbaute, um Drogenabhängige und sonstige stark vernachlässigte Menschen aufzufangen. Sie berichtete von ihnen als „Juwelen, die unter einem hässlichen Hut lebten“. Niemand aus sogenannten wohlgeordneten Verhältnissen würde auf den ersten Blick, einen dieser Menschen zu seinem besten Freund küren. Warum? Sie sehen nicht ansprechend aus, bewegen sich in zwielichtigem Milleu und haben nichts anderes im Sinn, als selbst zu überleben. Sie haben nichts zu bieten und sind daher als Freund ungeeignet. Aha!
Es scheint also verschiedene Ebenen zu geben, auf denen man sich begegnen kann. So bleiben die Guten unter sich und die anderen auch. Ich kenne viele Menschen, die selbstverständlich nur zur den Guten gehören wollen, die sich ihre Freunde nach dem Geldbeutel, dem Ansehen, der Kraft und dem Charisma, das diese ausstrahlen aussuchen. Entweder weil es sie selbst weiterbringt oder weil ein paar dieser Strahlen, die die anderen aussenden, in der Freundschaft auch auf sie selbst ein helles Licht werfen. Weil sie etwas wert sind, wenn sie mit dieser wichtigen Person befreundet sind.
Und wenn das Strahlen verglüht ist? Was bleibt dann von dieser Freundschaft?
Können Menschen, die aus unterschiedlichsten Lebensentwürfen kommen, überhaupt befreundet sein? Ich denke, ja! Wichtig ist die Wertschätzung, die ich dem anderen entgegenbringe. die Augenhöhe auf der ich ihm begegne. Jeder Mensch, egal ob reich oder arm, gesund oder krank, hat etwas zu geben, was eine Freundschaft wertvoll machen kann. Freundschaft geht dann gut, wenn wir uns wegbewegen vom eigenen Egoismus hin zum ausgeglichenen Du-Ismus. Eine Freundschaft lebt vom gegenseitigen Nehmen und Geben. Dabei muss dies nicht immer eins zu eins ausgewogen sein, aber über lange Zeit schon, sonst geht einem der Freunde am Ende die Kraft aus.
„Zeig mit Deine Freunde und ich sage Dir wer Du bist!“ Ein bißchen Wahrheit steckt in dem Satz. Ich würde ihn aber gern umwandeln in: „Zeige mir, wie Du mit Deinen Freunden umgehst und ich sage Dir, wer Du bist.“ Denn nicht in den Menschen, mit denen ich mich umgebe, liegt die Beurteilung meines Lebens, sondern in der Frage, ob ich ihnen auf Augenhöhe begegne und was sie mir bedeuten. Andernfalls renne ich Trugbildern hinterher.
Schönes Video dazu findet Ihr hier:
Mal wieder eine Buchempfehlung
„Unter blutrotem Himmel“ von Mark Sullivan
In diesem Jahr jährt sich der Anfang des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. Viel Zeit ist seitdem vergangen, und vieles von dem Schrecklichen, das er brachte, droht in Vergessenheit zu geraten. Einer eher unbekannten Seite des Nazi-Regimes widmet sich das Buch „Unter blutrotem Himmel“ von Mark Sullivan. Eher unbekannt deshalb, weil die Handlung in Italien und nicht in Deutschland selbst spielt. Mussolini und Hitler als Brüder im Geiste sind zu der Zeit, in der das Buch spielt, längst unter Druck. Die Deutschen sind in Italien Besatzungsmacht, Mussolini selbst hat aber kaum noch Einfluss. Das Land Italien wird von den Deutschen als Nachschublager komplett ausgebeutet, sowohl millitärisch als auch lebensmitteltechnisch. Italienische Männer werden entweder zur italienischen Armee eingezogen und an die Ostfront verpflichtet oder können sich zur deutschen Armee melden und werden innerhalb dieser gnadenlos gegen die eigenen Landsleute eingesetzt. Längst sind die Alliierten dabei, die Faschisten zurückzudrängen. Einige Italiener leisten Widerstand, bringen Juden außer Landes und helfen, wo sie können. Und einer von Ihnen ist Pino Lella, von dessen wahrer Lebensgeschichte das Buch „Unter blutrotem Himmel“ erzählt.
Pino wächst in Mailand auf. Als dort 1943 die ersten Bomben fallen, schickt sein Vater ihn zum Schutz in eine kirchliche Schule in den Alpen, wo er einem gewissen Pater Re hilft jüdische Menschen über gefährliche Pässe in die Schweiz zu begleiten. 1944 wird Pino 18 Jahre alt, und damit zum Dienst im Millitär verpflichtet. Aus Sorge, dass sein Sohn mit der italienischen Armee an die Ostfront und damit in den sicheren Tod muss, rät sein Vater ihm, in die deutsche Armee einzutreten. Pino ist zunächst erbost darüber und widersetzt sich. Doch am Ende fügt er sich dem Wunsch seiner Familie und gerät auf verschiedenen Umwegen an eine Stellung als Fahrer im Dienst eines Generals namens Hans Leyers. Mithilfe dieser Stellung agiert Pino fortan als Spion für die Alliierten und die italienische Widerstandsbewegung. Leyers vertraut ihm vollends. Was Pino auf den Dienstfahrten sieht und erlebt, erschüttert sein jugendliches Weltbild. Hin und her gerissen zwischen seiner Liebe zu einem Dienstmädchen der Geliebten von Leyers und dem gefährlichen Agieren zwischen den „Fronten“ als Spion, erlebt er seinen deutschen Dienstherrn als kalten Ausführer der deutschen Anweisungen, aber auch als Menschen mit teilweise verblüffend klarem Gewissen und berechnender Gewissheit über die Folgen seines Handelns.
Am Ende des Buches ist man erschüttert über die Gräueltaten, die Herzstiche hinterlassen, weil sie so klar und schnörkellos beschrieben sind. Man ist hingerissen von dem Mut des jungen Pino, erschrocken und wütend über die Kaltherzigkeit der ausführenden Mächte. Schwarz und weiß sind nicht so leicht zu trennen. Jeder versucht am Ende nur, sein eigenes Leben zu retten. Nicht alle schaffen es. Pino Lella selbst bezeichnet sich am Ende als Feigling, weil er in einer Schlüsselszene des Buches sein Entsetzen nicht überwinden kann und er bei dem, was ihm am wichtigsten war, nicht rettend eingreifen kann. Für ihn selbst verblassen alle Heldentaten, die er selbst getan hat, vor dieser einen nicht getanen. Man kann kaum glauben, dass es sich bei dem Roman um eine zumindest im Wesentlichen wahre Geschichte handelt. Darum ist sie am Ende berührend, tragisch, traurig (Taschentücher bereithalten!) und mutmachend zugleich. Pino Lella lebt heute hochbetagt im Norden Italiens und hat Mark Sullivan seine Lebensgeschichte erzählt, für die der amerikanische Autor einige Recherchereisen nach Israel, Deutschland und Italien unternommen hat. Eine Verfilmung des Buches ist bereits in Planung.
Weihnachten mal anders
Irgendwie hat es mich geritten, neben dem ganzen Weihnachtsfirlefanz mal die dunkle Seite des Friedensfestes zu beleuchten. Habt keine Angst! Ein bißchen gruselig ist das Gedicht, aber ein Körnchen Wahrheit hat es vielleicht doch. Viel Spaß mit einer morbiden Weihnachtsszene, in deren Verlauf ihr einige Passagen aus Eichendorffs „Markt und Straßen stehen verlassen“ finden werdet. Ich hoffe, der Dichter verzeiht mir posthum, dass ich der scheinheiligen Weihnachtsseligkeit ein bißchen hinter die Fassade schaue! 😉
Morbides Weihnachtsgedicht
Onkel Friedrich will stets seinen Neffen
jedes Jahr zum Weihnachtsessen treffen.
Der Junge stellt sich immer ein; will er doch alles erben,
Das Dumme bloß: Der Alte will einfach nicht sterben.
Jahr für Jahr die gleiche Quälerei
mit Likörchen, Pralinen und Weihnachtseinerlei
mit Suppe und Braten und Pudding in Massen,
die allesamt in seinen Bauch nicht mehr passen.
Seit Jahren schon wartet der einz’ge Verwandte,
der gleich nach dem Tod seiner Tante,
dem Onkel auf der Tasche liegt
darauf dass der Alte die Kurve zum Himmel kriegt.
Doch der denkt nicht ans Vergreisen,
will nicht so früh ins Grase beißen.
Und geizig ist er noch dazu.
Das lässt dem Neffen keine Ruh.
Voll Neid und Habgier beschließt er fein,
dies Jahr soll es das letzte Mal für den Onkel Weihnachten sein.
Ein rauschendes Fest soll es werden,
danach soll der Onkel verlassen die Erden.
So gehen die Gedanken rund herum:
Wie bringt er am besten seinen Onkel um?
Was wohl die günstigste Mordwaffe wär?
Die Axt ist ihm eindeutig zu schwer,
Pistole zu laut, Messer zu scharf
erschlagen zu heftig und vergiften zu brav.
Vielleicht kann der Onkel in Geschenkpapier ertrinken
oder in Eierlikörchen versinken?
Mit Knecht Ruprecht sich im Wald verlaufen
und im Knusperhäuschen mit der Hexe Koma-Saufen?
Nein das wäre ordinär
und so gar nicht weihnachtliches Flair.
Ein bißchen stilvoll soll es sein
so richtig schön mit Heil’genschein,
mit Sternenstaub und Engelshaar
und Heidschi-Bumbeidschis-Tralala
Man muss es auch ein bißchen zelebrieren
und vordem die Stube dekorieren:
mit Krippchen fein und Kerzenschein
und süßen Glöckchen: So soll es denn sein!
Mit der richtigen Stimmung kommt der Tod von allein.
Und hat er dann erstmal den Bogen raus,
ist er am Ende alleine der Herr im Haus.
Der Onkel kommt sodann vom Kirchgang heim
und tritt beherzt ins Weihnachtsstüblein ein,
sieht seinen Neffen am offenen Schranke sitzen
und noch schnell die silbernen Löffel stibitzen.
Der Onkel schreit, es gibt Krawall
und einen großen lauten Knall,
geht mit dem Stock in Raserei
auf seinen Neffen los und eins, zwei, drei
hat er, noch ehe er es recht bedacht,
dem Neffen unterm Tannenbaum das Lebenslichtlein ausgemacht.
Dieser hat dabei daneben
die Löffel auch gleich wieder abgegeben.
Markt und Straßen steh‘n verlassen
still erleuchtet jedes Haus.
Nur der Onkel schleppt was durch die Gassen.
Alles sieht so festlich aus.
In dem Säcklein, das der Alte zieht
der erschlagene Neffe liegt.
Die silbernen Löffel klingeln leise
ganz nach weihnachtlicher Weise.
Und sie wandern aus den Mauern
bis hinaus ins freie Feld
hehres Glänzen, heil‘ges Schauern,
ach was weiß denn schon die Welt
was die Menschen treibt zum Lieben
und zum Hassen, wie durchtrieben
manches Weihnachtfest so endet
und sich nicht zum Guten wendet.
Darum gib gut auf Dich acht!
Was Du denkst und
was Du daraus machst!
(Tanja Fründ)
Wissen
Unsere Kinder haben heute viele Kenntnisse, aber wenig Erkentnis, viel Wissen, doch wenig Gewissheit und Gewissen. Für die Bildung von letzteren braucht es Zeit. Wir Menschen haben ein ganzes Leben dafür.
Reichen wir unseren Kindern also die Hand, um sie zu begleiten und nicht um sie an dieser vorwärts zu zerren. Geben wir ihnen Raum, das Wissen, das sie erwerben, in Erkenntnis zu wandeln, damit sie in dieser Welt einen festen Stand haben und sich in ihr zurechtfinden. Damit sie eine innere Heimat haben, in die sie immer wieder zurückkehren können, egal wo sie sich im Leben befinden.
(Tanja Fründ)